Bilder, Ergebnisse und Impressionen eines Neueinsteigers
Heiligenhafen, 4.9.2021. Größer konnten die Gegensätze kaum sein als diesmal beim traditionellen OLEU First und Seascape Ostseecup: Die späten Augusttage brachten Temperaturen um die 15 bis 18 Grad, Winde zwischen 14 und 20 kt und zeitweilig auch noch ein paar Sprüheinlagen von oben, gleichzeitig aber tolle Ranglistenkämpfe und insgesamt an drei Tagen mehr als 13 Stunden auf dem Wasser, die fast niemanden vom folgenden Muskelkater verschonen sollten. Heiße Rennen in kalter Luft.
Gesegelt wurde wie auch in Vorjahren in zwei Klassen: die großen Seascape 24 und 27 in einer gemeinsamen Klasse mit Verrechnung, die kleinen 18er in ihrer eigenen Einheitsklasse.
Für den ersten Tag hatten die Organisatoren vom OLEU-Team eine etwas vertrackte Mittelstrecke ausgeschrieben, die eine Siegerzeit von knapp drei Stunden und harte Positionskämpfe auf dem Wasser brachte und einige Gennakerglitsche über Meilen bedeuteten.
Das auch die „alten Regattahasen“ bei den 18ern mal bei einer Tonnenrundung ordentlich daneben greifen können, erst recht, wenn sie in Führung liegen, zeigten die beiden Crews Jochen Denkena/Dirk Peters GER 338 und Thomas Hummels/Michael Müller GER 475, die beide im knappen Abstand die rote Tonne bei der zweiten Rundung einfach noch einmal genauso rundeten wie in der ersten Runde, nämlich linksrum. Oder ist das „Tonne links“ zu fest im Regattahirn eingebrannt?
Dass das falsch war (beim zweiten mal rechtsrum!), bemerkten sie auch dank der kameradschaftlichen Rufe der Nachfolger, die sie auf diesen Fehler aufmerksam machten. Also Gennaker runter und gegenan zurück und richtig rum und die Verfolgung auf die inzwischen „durchgerutschte“ Crew Heinz-Christian und Charlotte Bock GER 111 aufnehmen!
Auch das zeigt den tollen Seascapespirit: Wären die beiden führenden Crews einfach weiter gesegelt, wären sie disqualifiziert worden.
So gab es für alle Crews wegen der Länge der Wettfahrt doppelte Punkte (ohne DSQ) und zur Belohnung auch noch ein paar Sonnenstrahlen.
Tag 2: 3 knackige Up and downs über 55 Minuten, ein defekter Motor auf dem Startschiff, Nieselregen, sodass man weder die Luvtonne noch Fehmarn sehen konnte und eine Crew, die ihr Pech vom Vortag wieder gutmachen konnte. Da war nämlich der Gennaker „geplatzt“, dieser wurde über Nacht von den wieder wunderbar alles organisierenden Veranstaltern und den OLEU-Segelmachern genäht und war dann am Folgetag schon wieder im Einsatz. Carsten und Lars Beister GER 364 vom Edersee gaben Gas und zeigten ihr Können und ihre Regattaerfahrung. Allerdings segelten sie erst ihre zweite Seascaperanglistenregatta. Mit dem insgesamt 5. Platz ein herausragend guter Einstieg.
Bei den größeren Booten konnte man ebenfalls gut sehen, wie die Seascaper ticken, wie sie auch mal auf anderen statt den eigenen Booten segeln und wie sie sogar die Bootsgrößen gerne mal wechseln:
Auf dem späteren Gesamtsieger NORDRI GER 6958 (27er) mit Jan-Markus Peters am Steuer segelten am ersten Tag Cliff und Lucia Fichtner (sonst 18er Regattacrew) und Sybille Harder, danach dann (mit Zustimmung der Wettfahrtleitung) des Skippers Tochter Jenny Lorena Peters und ihr Freund Jasper Frahm.
Familycrews gab es auch auf der 24er GLEITZEIT GER 36, die von Helge Meißner und seinem Sohn über die Regattabahn gejagt wurde und der 24er SURFISH GER 84 von Wolfgang Werner, der zusammen mit seinem Bruder Richard und Sören Blaschke wie Markus Girsch höchst erfolgreich agierte und Gesamtzweiter wurde.
Der Gesamtdritte BOLT GER 7877, eine Seascape 27, war besetzt durch zwei erfahrene Seascape 18er Segler: Steuermann und Eigner Steffen Heyers ist vor einigen Jahren auf die größere 27 umgestiegen und hatte den 18er Eigner Andreas Göbel aus Kiel an Bord. Beide hatten sich bis zum 5. Race (eine kurze Mittelstrecke am Sonntag über 1:35 h) so eingespielt, dass sie sich einen etwas verschlafenen Start (mit großem einminütigem Abstand als letzte über die Linie) erlauben konnten und nach gesegelter Zeit dann im Ziel erste waren. Chapeau!
Die 27er HEARTBEAT von Marlene Brudeck hatte als „Leihcrew“ den Berliner 24er Eigner Jörg Büsselberg und den 27er Eigner André Blankenburg an Bord, am Sonntag als Einspringer noch den 18er Segler „Ikke“.
BRYSE GER 189, eine Seascape 24 wurde in ihrer ersten Seascaperegatta von Holger Hinz und Frank Fleischer-Hirschfeld pilotiert. Der Lübecker Holger Hinz nutzt das Boot aber auch als Familyboot.
Und bei den 18ern?
Da gab es 3 Boote am Start, die in dieser Konstellation erstmalig eine Seascape Ranglistenregatta bestritten. Eines der drei Boote wurde von York Weber gesteuert (Sundance GER 486 vom Brombachsee), der zusammen mit Jörg Worgitzki (ebenfalls normalerweise seine eigene 18er steuernd), am Start war.
York Weber hat Heiligenhafen und den Ostseecup als sein eigenes Rennen erlebt und schildert es uns dankenswerterweise nachfolgend:
„Endlich ist es soweit!
Vor 2 Jahren habe ich mir dieses coole Boot gekauft und bin seitdem leider ausschließlich auf unserem bayerischen Binnensee „rumgeschippert“. Die anderen Seascaper kannte ich bisher nur von den Mitgliederversammlungen und einem Trainingswochenende mit der Ostseegruppe.
Das sollte dieses Jahr alles anders werden. Schließlich wollte ich mich ja endlich auch mal mit anderen Seglern messen! Doch durch corona- und job-bedingte Einschränkungen, sowie mangels fester Crew verstrich eine Regatta-Gelegenheit nach der anderen.
Zum First & Seascape Ostseecup sollte es aber endlich klappen.
Beim Begrüßungsgrillen von OLEU am ersten Abend verfliegt die erste Anspannung im Nu. Alle sind so relaxed und freuen sich einfach, dass man sich wiedersieht und am morgigen Tag gemeinsam segeln kann. Wind war mehr als genug vorhergesagt (4-5 Beaufort).
Es geht also am ersten Tag los mit der Mittelstrecke. Von der Steuermannsbesprechung bis zum Start vergeht die Zeit wie im Flug. Die erste Kreuz bringt dann gleich auch mal die erste große Ernüchterung mit sich. Wir sind weder bei der Speed noch im Höhelaufen konkurrenzfähig. Bis zur ersten Boje fehlen uns schon ein paar Minuten aufs Feld. Wir fahren uns oft in der Ostseewelle fest und purzeln schon auch mal ein wenig durchs Cockpit bei den Manövern. Vergeblich versuchen wir das ganze mit Einsatz wettzumachen. Beim Downwind unter Gennaker scheinen wir den Abstand wenigstens halten zu können. Jedenfalls haben wir ne Menge Spaß im Gleiten! Hoffentlich läßt sich der Gennaker an der Leetonne wieder gut einholen. Hat geklappt, also wieder hoch zur Luvtonne.
Das Feld ist immer weiter voraus. Nach einer Weile jedoch sieht man, dass es auch bei den anderen Booten nicht immer perfekt läuft. Hier fällt mal der Gennaker ins Wasser, dort macht er einen „wunderschönen“ Knoten… und plötzlich sind wir wieder dran. Im Ziel hatten wir dann nach 3h23 noch 90 Sekunden Rückstand. Es ist also doch nicht ganz hoffnungslos.
Jedenfalls herrscht beim Grillen am Steg schon wieder allerbeste Stimmung. Die ersten Bilder von der Regatta laufen über einen Monitor und man sieht auf den ersten Blick, dass wir unser Rigg viel zu leicht eingestellt haben. Wir bekommen noch jede Menge gute Tipps während wir unsere Grillwürste verschlingen.
Am nächsten Tag stehen 3 Up & Downs an: Am Start sind wir mitten im Feld und auch die erste Kreuz läuft diesmal wesentlich besser. Die gestrigen Tipps scheinen alle zu helfen! Jedenfalls halten wir erstmal Anschluß ans Feld. Vielleicht liegt es auch daran, das wir heute anders arbeiten.
Dafür will der Gennaker heute nicht so richtig und wir verlieren diesmal auf dem Downwind. Wie sich später rausstellt ist der Block beschädigt, so daß sich das Fall ständig verklemmt. An zwei Bojen haben wir trotzdem spannende Positionskämpfe mit Christiane & Jörn, die gelegentlich auch mit ihrem Segel zu kämpfen haben. Bis ins Ziel hängen sie uns allerdings dann doch wieder um lockere 100 m ab. Erfahrung zahlt sich halt aus.
Was habe ich nun auf meiner ersten Regatta gelernt, was hat mir gefallen:
- Regattasegeln bei diesen Bedingungen ist richtiger Sport. Ich bin jeden Abend ziemlich kaputt ins Bett gefallen.
- Der direkte Vergleich in einer Wettfahrt offenbart direkt die Schwächen des eigenen Segelns. Umgekehrt erlernt man daraus sehr schnell das Boot effizient zu segeln und zu manövrieren. Die Freude an der Verbesserung ist sofort spürbar.
- Es gibt (zumindest in unserer Leistungsklasse) keine perfekte Wettfahrt. Irgendwas geht immer schief oder kaputt. Man muß dranbleiben, denn die anderen Boote haben meist auch genug mit eigenen Problemen zu kämpfen.
- Regattasegeln ist auch in einer fröhlichen und entspannten Atmosphäre möglich. Bei allem Ehrgeiz herrschte immer ein kameradschaftlicher Umgang und auch wir als „Träger der roten Laterne“ wurden niemals herablassend behandelt und waren Teil der Community.
- Der First & Seascape Ostseecup war tiptop organisiert. Außer um eine Unterkunft zum Übernachten brauchten wir uns um nichts zu kümmern. Olli und seine Mannschaft hatten alles im Griff und selbst im größten Stress hatten sie noch ein Ohr für unsere Wünsche und Anfragen. Einen Riesendank an alle, die an der Organisation des Events beteiligt waren.
- Für die Oktoberfestregatta am Starnberger See habe ich schon gemeldet. Der nächste Ostseecup ist schonmal vorgemerkt.
- Ich bin mir noch nicht sicher, ob bei Starkwind-Bedingungen eine bessere Fitness oder höheres Crewgewicht mehr Vorteile bringt. Ich glaube, ich fange mal mit einer Tafel Schokolade an!“
Die 18er Crews beim Ostseecup Heiligenhafen :
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