von Thomas Hummels GER177
Weiter….. Wir sind überzeugt: Bei dem Tempo sieht das jetzt aus, als könnte man Wasserski hinter dem Boot laufen. Wir wechseln die Arbeitspositionen. Und grinsen nur noch. Ich merke, wie im Gennaker so viel Druck ist, dass er nicht ewig aus der Hand gefahren werden kann. Aber der Steuerdruck hinten ist dafür um so geringer.
Nach drei Stunden sind wir platt und glücklich wie selten nach dem Segeln. Was für ein Boot … Das Dauergrinsen entweicht unserem Gesicht nicht mehr. Eigentlich bedarf dieses Probesegeln gar keines langen anschließenden Auswertens der Eindrücke mehr, ob man denn so etwas eventuell kaufen sollte. Das Boot hat uns in diesen drei Stunden süchtig gemacht.
Am 19.6.12 hole ich also logischerweise unsere GER 177 aus Slowenien ab.
Vom Starnberger See ans Zwischenahner Meer
Heute rund 13 Monate später sitzen wir Mitte Juli 2013 im Auto und trailern in den für uns gefühlten „hohen Norden“. Vom Starnberger See zum Zwischenahner Meer bei Oldenburg in Friesland. Die erst Anfang des Jahres 2013 gegründete Seascape-Klassenvereinigung hat ein erstes „Trimm- und Regattawochenende“ organisiert. Wir kennen keine der anderen Crews. Wird das ein Treffen mit Messingknopf- und Ehrennadelträgern?
Strahlender Sonnenschein und zwei strahlende Organisatoren begrüßen uns: Jörg Gubo hat auf sein Hausrevier geladen, der Klassenvereinigungsvorsitzende Jochen Denkena aus Oldenburg freut sich, dass 10 Boote da sind.
Samstagmorgen geht es los: Seascapeeigner, -konstrukteur und –hirn Andraz Mihelin aus Slowenien ist auch da und gibt allen Crews Aufbau- und Trimmtipps. Was ist wichtig, was nicht? Und seine entscheidenden Hinweise für Spaß am Boot und auf der Regatta: Erstens solle man sein Manöverhandling üben, üben, üben, sich dann erst mit den Finessen des Trimms und Tunings des Bootes befassen und ganz zum Schluß – wenn das alles flüssig und ordentlich klappt – sich mit Taktikfragen auf der Regatta befassen. Und über allem gäbe es eines: den Spaß am Boot und Segeln auszutoben.
Schon fühlen sich alle wohl und keiner glaubt mehr, er könne sich wohlmöglich unter lauter Profis blamieren.
Tipps und Aufbauerleichterungen werden von Crew zu Crew weiter gereicht. Jeder hat so seine Ideen und Erfahrungen. Ruck zuck profitieren alle vom Know how-Transfer, wie es neudeutsch heißt. Dann sind die Crews auf dem Wasser: Alle freuen sich, endlich mit lauter anderen Seascapern zusammen zu segeln. Offenbar, so stellt sich heraus, ticken die alle ähnlich und sind wirklich nette Typen.
Andraz springt im freien Training von Boot zu Boot und liefert den Crews seine Unterweisungen. Evelyn profitiert enorm von seinen geduldigen Hinweisen zum Easy-Umgang mit dem Gennaker.
Danke Andraz – auch im Namen aller anderen Seascape-Crews – für deinen langen Trip über Venedig und Bremen zu uns an das Zwischenahner Meer!
Die erste deutsche Seascaperegatta auf dem Zwischenahner Meer
Eigentlich soll nach den lockeren, aber lehrreichen Land- und Segelunterweisungen um 13 Uhr die erste Wettfahrt starten. Kein Wind, also Startverschiebung. Für uns Regattanovizen der willkommene Anlaß noch weiter am Manöverhandling auf dem Wasser abseits der Regattabahn zu arbeiten. Wenn nur nicht als Ergebnis dann heraus gekommen wäre, den letztendlich dann doch durchgeführten Start komplett zu verschlafen. Na super, wenn die 5 Minuten vorher los gepreschten Starboote einem zurufen, wo man sich denn rumtreibe, unsere Klasse sei doch auch längst gestartet…. Einziger schwacher Trost: Dem erfahrenen Regattaskipper Thomas ist das mit seinem Vorschoter Steffen auch passiert. Also kassieren wir beide mal ein „DNS“ auf der Wertungsliste. Unsere erste Wettfahrt wird also der Streicher. Spitze.
Der Zwischenahner Wettfahrtleiter Jan Kramer vom wirklich sehr gastfreundlichen örtlichen ZSK macht seine Sache wie er sagt zum ersten Mal, aber gut. Er faltet zu Recht ganz freundlich eine ausfallend werdende Crew bei den Starbooten zusammen und freut sich, dass die Seascape 18-Crews alles deutlich lockerer nehmen und offenbar einen Riesenspaß auf der Regattabahn haben. Ganze drei Wettfahrten mit angesagter Bahnabkürzung wegen des schwachen Windes bringen wir am Samstagnachmittag noch zu Stande. Übrigens: Die weiteren Starts haben wir und auch Thomas mit seiner „Cubito“ dann doch mit bekommen.
Man merkt deutlich, dass sich alle Seascape 18er steigern. Armin dominiert zusammen mit seinem Vorschoter Miha die ersten beiden Wettfahrten klar. Er war übrigens in Deutschland auch der erste Seascape18-Eigner (GER 13) und segelt inzwischen in Berlin.
Am zweiten Wettfahrttag sollen noch zwei Durchgänge gesegelt werden. Das kriegen wir bei dem deutlich besseren Wind auch hin. Unser persönliches Crew-Ziel: Die blöden Fehler des ersten Tages wollen wir vermeiden: saubere Gennaker-Manöver auf dem Weg zur Leetonne und ordentliche Starts. Evelyn läuft zur Bestform auf: Halsen unter Gennaker ohne Verhaker und gute taktische Ideen, die alle aufgehen. Der Steuermann sollte immer auf seine Taktikerin hören. Wir werden in der ersten Sonntagswettfahrt Vierte und freuen uns nicht weit von der ersten drei Teams entfernt gewesen zu sein. Euphorie an Bord. Andraz hatte Recht: Manöversicherheit ist alles.
Die letzte Sonntagswettfahrt liefert Spannung pur: Heinz-Christian und seine Frau Charlotte aus Koblenz durchbrechen das Gesetz der Serie und werden nicht wie jeweils vier Mal vorher Fünfte, sondern siegen in diesem Durchgang. Unser Top-Organisator und überaus hilfsbereite Jörg Gubo wird mit seiner Frau Irmi und Vorschoter Stefan erneut Zweiter und damit insgesamt ebenfalls Regattazweiter. Spitzen-Leistung. Und Dank an Jörg für die viele Organisationsarbeit!
Den spannendsten Zieleinlauf liefern sich Sven mit seiner Hamburger Dreimanncrew Kilian und Johannes mit dem Neusser Carsten und seinem Vorschoter Christoph.
Sie matchen sich auf der Zielkreuz in ihren Wendeduellen bis sie sage und schreibe im Abstand von nicht mal einem halben Meter über die Ziellinie rauschen.
Unser Klassenvereinigungschef Jochen Denkena hat seine Seascape 18 wirklich gut im Griff. Sein schlechtestes Ergebnis und damit sein Streicher war ein 5. Platz in der letzten Wettfahrt, ansonsten drei Mal Zweiter und ein Mal Vierter. Diese Superkonstanz bringt ihm und seinem Vorschoter Vincent den verdienten Sieg in der ersten deutschen Seascape-Premiere-Regatta. Glückwunsch!
Und Thomas, der zusammen mit uns den Start in der ersten Wettfahrt verschlafen hatte? Er zeigt anschließend, was er wirklich seglerisch drauf hat, wird sogar bei zwei Wettfahrten mit seinem Vorschoter Steffen Erster und insgesamt verdienter Gesamtdritter.
Was für ein Finale! Was für eine tolle Stimmung. Alle haben Blut geleckt. Für einige Crews war es wie für uns die erste Regatta. Es ist einfach tolles Segeln, wenn man es mit lauter gleichen Booten tut. Und ganz offenbar ticken die Crews alle ein bisschen ähnlich. Und fürs Fahrtensegeln profitiert man schließlich auch, wenn das Handling und der Trimm stimmen. Und ob das stimmt oder man eventuell noch was verbessern kann, sieht man im direkten Vergleich mit identischen Einheitsklassebooten am besten.
Und jetzt? Sind alle heiß auf ein nächstes Treffen der Seascaper – mit noch mehr „Süchtigen“. Die Verabredung für Berlin am 14. und 15. September 2013 steht. Auf zum SailingAnarchy-Cup der Sportboote. Meldet Euch einfach hier online an.
Die Ausschreibung und weitere Informationen des veranstaltenden SC Gothia finden sich hier.
Seascape 18–Eigner und –Segler wissen ja längst, was die Rennsemmel auf dem Wasser mit dem eigenen seglerischen Gemüt und dem Endorphinhaushalt macht. Seascapen macht süchtig. Die Rennsemmel macht süchtig. Und ich garantiere Euch: Die Sucht ohne Nebenwirkungen auszutoben ist am besten unter lauter Gleichgesinnten.
Auch außerhalb des Gardasees und ohne Regattaerfahrung!